Logo

America Heft 4/2000


"Ein Schweizer Lakota"
Eine überraschende Begegnung bei den Indianern South Dakotas

Am Rande der Schwarzen Berge, dem Mittelpunkt der Erde, liegt ein kleines Tipi-Lager. Sitzt man abends unter dem klaren Sternenhimmel South Dakotas am Lagerfeuer, sieht man im Westen die Präsidentenköpfe des Mount Rushmore leuchten. In der weiten Endlosigkeit der Prärie im Osten schimmern bläulich die bizarren "Badlands" der Lakota-Indianer. Kojoten heulen in der Finsternis und der dumpfe Klang der Trommel versetzt einen zurück in die alte Indianerzeit. In die vergangene Welt der Bisonjäger.
Das Tipi-Lager - schlicht "Camp" genannt - gehört, so stellt der Besucher erstaunt fest, einem Schweizer "Lakota" namens Charly Juchler.
Wie kommt ein Schweizer dazu, zu den Indianern South Dakotas auszuwandern? Juchler verschlug es 1992, nach mehrjähriger Tätigkeit auf Greenpeace-Schiffen und beim "Service Civil" nach South Dakota.
Bei den dortigen Lakota-Indianern fühlte er sich schon bald so zu Hause, dass er anfing, sich eine Existenz aufzubauen. Heute ist Juchler ein bekanntes Gesicht auf der Reservation. Als "Weltenvermittler" handelt er mit indianischem Kunsthandwerk - mit seriösen Honoraren für die Künstler - , veranstaltet Lakota-Kulturreisen und unterhält sein Tipi-Camp am Rande der Berge.
Sieht man Charly im täglichen Umgang mit seinen indianischen Freunden - etwa dem Pfeifenmacher Sonny Zimigia oder der Künstlerin Sonja Holy Eagle - , verblüfft einen immer wieder, wie sehr er den Indianern gleicht. Seine bedächtige Art, sein leiser Sprechgesang, die schwarzen langen Haare.
Dementsprechend positiv wird er von den Lakotas als einer von ihnen akzeptiert. Dabei verleugnet Charly keineswegs seine Schweizer Herkunft: Aus der Schweiz habe er seine organisatorischen Fähigkeiten mitgebracht, die ihm bei der Vorbereitung seiner Reisen und Kunstausstellungen zugute kommen.
"Indianer sind auch nur Menschen", so Juchler, "mit all ihren positiven und negativen Eigenschaften." Für Charly sind die Lakotas weder edle Übermenschen noch Ur-Grüne. "Die meisten Touristen suchen immer nur den Indianer ihrer Vorstellungen und sind dann oft von der Wirklichkeit enttäuscht."
Charlys Ansatz versucht der Vielfalt indianischen Lebens gerecht zu werden und einen Einblick in die facettenreiche Kultur zu vermitteln. "Alle Indianer unterscheiden sich auf ihre Art voneinander. Und trotzdem bilden sie in der Gemeinschaft eine gewisse Einheit. Wie die Schweizer oder die Bayern."
Weder New Age-Gurus noch Ökowilde oder der Pferdeindianer mit Federschmuck sind auf Charlys Reisen zu bewundern. Es findet lediglich eine Begegnung mit einer beinahe erloschenen Kultur, welche noch immer voller Schönheit und Ausdruckskraft ist, statt.
Tourismus nicht als schnelles Konsumgut sondern als sinnvolles Mittel zur Völkerverständigung - so könnte das Motto von Juchlers zwei- und dreiwöchigen Reisen lauten. In kleinen Gruppen führt er kulturinteressierte Reisende durch die Black Hills, zu seinen indianischen Freunden im Pine Ridge Indianerreservat, nach Wounded Knee und zu anderen Schauplätzen des sich fortsetzenden Dramas im Indianerland. 

Top