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Globetrotter vom 01.05.2010


Schatztruhen der Natur (Nationalparks im Westen der USA)
von Christian Heeb

Auszug der Seiten 13 / 14

Indianerland. Jetzt im Sommer, quälen sich immer noch Automassen über die schmale Strassen des Parks. Für uns ist es Zeit, weiterzureisen, Richtung Osten durch Wyoming und weiter nach South Dakota. Wir wollen zu unserem Freund Charly Juchler. Der gebürtige Winterthurer lebt seit Jahren bei den Lakota-Indianern. Er hat ein Haus mit viel Land am Rande der Paha Sapa, der heiligen Berge der Lakota, nahe der Stadt Rapid City. Kennengelernt hatten wir uns 1995 während der Arbeit für eine Fotoreportage. Charly veranstaltet heute Reisen im Indianerland und macht Ausstellungen mit indianischer Kunst in der Schweiz.

Das letzte Abendlicht legt sich auf die weite Graslandschaft der Prärie von South Dakota. Im Hintergrund ragen die schroffen Klippen der Badlands in den Abendhimmel. Charly liegt vor mir im Gras. Cowboyhut im Gesicht, Beine ausgestreckt - so ruht er sich aus, hier, wo er zu Hause ist. Ich knipse ein paar Bilder, weil ich es nicht lassen kann. Einmal Fotograf, immer Fotograf. Beide sind wir ziemlich müde. Wir waren lange zu Pferd unterwegs mit Charlys Lakota-Freunden. Ich als Nichtreiter spüre meinen Hintern und ein paar andere Körperteile wie schon lange nicht mehr.
Auf dem Heimweg vom Reservat zu Charlys Haus in den Black Hills fahren wir durch die Badlands und so gibt es ein Wiedersehen mit dieser Traumlandschaft. Doch die Idylle hat Risse. Heruntergekommene Trailer-Behausungen, verrostete Autos, von Alkohol und Drogen gezeichnete Indianer. Manchmal frage ich mich, wie Charly das alles aushält. Der Kindertraum Indianer muss schon stark sein, dass man den Alltag im Reservat erträgt. Aber schliesslich komme ich auch seit 1986 regelmässig ins Indianerland. Mich fasziniert die Kultur genauso wie Charly. Während meiner Zeit im Land der nordamerikansichen Indianer musste ich mein aus der Schweiz mitgeführtes Bild immer wieder korrigieren. Im Grunde kann man getrost alles vergessen, was man zu wissen glaubt, denn Indianer sind auch nur Menschen. Oft faszinierend, manchmal langweilig, dann wieder anstrengend und unverständlich. Charly weiss das natürlich längst, und nichts ärgert ihn mehr als das Schwarz-Weiss-Denken: gute Indianer, böse weisse Amerikaner. Die ganze Indianer-Thematik ist viel zu komplex für eingleisige Sichtweisen.

Bei Charly zu Hause essen wir gemeinsam mit seinen Freunden aus der Yellowhawk-Familie zu Abend. Der Vater Jerry Yellowhawk sieht aus wie der klassische "dance-with-wolfes-Indianer". Er spricht noch fliessend Lakota und hat die Ausstrahlung und Würde eines grossen Häuptlings. Er und sein Sohn Jim standen gerade Modell für mich draussen in Charlys Tipilager, wo er jedes Jahr Kulturreisende beherbergt.
Wir geniessen Regulas gute Gemüsesuppe und planen unsere weitere Reise. 

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