"Charly, der Brückenbauer"
von Claude Jaermann
Die Black Hills und die reiche Kultur der Lakotas hatten ihn schon als Kind fasziniert. Charly Juchler, der Winterthurer, las jedes Buch, das er über das Leben dieses Nomadenvolkes in die Hände bekommen konnte. Obwohl er als 20-Jähriger über die Armut und die Alkoholprobleme in den Reservaten South Dakotas wusste, war er erschrocken, wie schlimm die Realität dann tatsächlich aussah.
Immer wieder zog es ihn in die Badlands und die Black Hills. Als der Service Civil ein Unterstützungsprojekt für traditionelle Lakotas ausschrieb und acht Europäer suchte, war für Charly klar: Da will ich hin. Er erhielt den Zuschlag und konnte an einem der letzten Sonnentänze von Frank Fools Crow aktiv mithelfen. Die Begegnungen mit Lakotas, die um die Wahrung ihrer Tradition besorgt waren, berührten ihn tief.
Ein Wendepunkt kam 1993 mit dem Film Dances with Wolves, der in South Dakota gedreht wurde: Der Tourismus nahm im Jahr nach dem Film um 70% zu. Plötzlich begannen sich mehr Menschen für die indianische Kultur im Allgemeinen und die der Lakotas im Speziellen zu interessieren. Galerien entstanden, die Kunsthandwerk billig einkauften und teuer weiterverkauften. «Das kann ich besser», sagte sich Charly selbstbewusst und fing dank seinem guten, über Jahre aufgebauten Netz von Beziehungen an, qualitativ hoch stehendes Kunsthandwerk im fairen Handel einzukaufen.
Heute zeigt Charly Juchler an einer Ausstellung jedes Jahr eine Auswahl an Kunstgegenständen und beliefert unter anderem auch das Indianermuseum in Zürich. Zudem führt er viermal im Jahr kleine Gruppen durch seine zweite Heimat South Dakota. Er bietet Einblick in den Alltag der Lakotas, die in der modernen Welt leben und trotzdem ihre kulturellen Wurzeln pflegen. Und dies ohne Idealisierung und esoterische oder spirituelle Überbewertung. Im Tipi schläft auch er meistens nur, wenn er eine Gruppe zu Gast hat.