black hills / im monat vor dem monat der stille
liebe chante eta‘n freunde und interessierte
wir fuhren durch eine dunkle novembernacht , durch die unendliche weite , entlang der black hills , welche im westen als eine bezaubernde silhouette unter den glitzernden sternen leuchtete. wir , mein freund john artichoker und ich selbst , waren unterwegs nach buffalo gap um an einer yuwipi heilzeremonie teilzunehmen. „die ärzte haben mir nicht mehr viel zeit gegeben“, sagte john mit leiser stimme. „ich bin bereits ein alter mann , aufgewachsen in einer zeit wo man sich schämte lakota zu sein. in einer zeit wo es verboten war zeremonien durchzuführen und unsere eigene sprache zu sprechen. jetzt bin ich frei aber alt und habe noch so viel zu lernen. woher ich komme , wohin ich gehe. ich habe viele fehler gemacht als mann und mensch , aber ich erkenne mich in diesem land , die stille , die büffel , diese ganze essenz welche meine vorväter tagtäglich gelebt haben“, erzählt er mir weiter. wir sind still.
ich denke über john nach , wie ich in seinem kellergeschoss all die auszeichnungen an seiner wand studiert habe. ein lakota mit jahrgang 1930 als universitätsabgänger. 1953 einer der 10 ausgezeichneten männer der usa , geehrt von der eisenhower administration. exekutiver direktor , verantwortlich für das management von 42 indianerreservaten , verteilt im amerikanischen westen , und noch vieles mehr. john hat nie gross darüber erzählt oder sich mit seinen leistungen ins licht gestellt. er wollte einfach etwas aus sich machen um seinem volk und anderen gutes zu tun.
einmal als wir zusammen in der schweiz waren , wo ich für ihn eine vortragsreihe organisiert habe mit dem thema “indigene politik und lebensart in der heutigen usa” kam die frage von einem zuhörer , was man denn machen könne um diese grauenhafte situation des alkaholismuses in den reservaten (zwischen 50 und 80% alkaholiker) in den griff zu bekommen , und wie man das amerikanische system zur verantwortung und rechenschaft ziehen könnte? johns antwort: “aufhören zu trinken”. es waren rund 300 menschen anwesend , etwa 50 leute verliessen nach dieser aussage den saal. sie wollten wohl anklagen hören über die bösen weissen und armen indianer. „nein“, sagte john, „wir sind alle selber verantwortlich für unsere leben und existieren heute in einer zeit wo wir uns selber sein dürfen , wenn wir uns dazu entscheiden , egal wer , woher und was wir sind”. meine gedanken verzaudern...
wir sind angekommen in buffalo gap. im haus erwarten uns ein gutes dutzend leute. wir treten ein in eine andere dimension. die zeremonie nimmt ihren lauf , voller energie und unfassbarkeit. kein hokuspokus , keine goldenen esoterik krähen , nein, “nur” naturgesetze. gebündelte essenz , gewachsen in der weisheit des überlebens auf diesem planeten. „tunkasila omakiya yo , grossvater / mutter , alles was ist , habt mitleid mit mir“, sagte mein freund.
john lebte gut mit medizinischer versorgung und dem grossen mysterium der black hills , acht jahre über die erwartungen hinaus. er bereicherte meine chante wakan reisen und deren teilnehmer mit seinen vielen geschichten und herrlichen bisongerichten.
es ist ende november des vergangenen jahres , ich stehe vor ihm , er sitzt dem tode nahe in seinem sessel in seinem haus. ich frage ihn, „john was meinst du , hat das lakota-sein eine zukunft in dieser zeit?“ er schaute lange vor sich hin und sagte schlussendlich leise , „danke für unsere freundschaft charly“. ich nickte und flüsterte , „toksa ake“, bis später , irgendwann , wo auch immer , im geheimnis des seins. ich schliesse die türe hinter mir und denke an ein altes lakota sprichwort. wenn die legenden sterben gibt es keine träume mehr und wo keine träume mehr sind erlischt jegliche grösse. vermisse dich john. lila good.
Eine legende, john artichoker, wanbli hoksila, 1930 – 2013
in seinen letzten monaten verfasste john inspirierende gedichte über seine zeit mit chante eta’n. gedichte über die reisen und dieses land , welche ich ihm finanziert und zu einem buch drucken liess , ergänzt mit schönen bildern , als eine erinnerung an wanbli hoksila.
alle interessierten und ehemaligen reiseteilnehmer können john’s buch Prairie Tales (14 gedichte in englischer sprache mit schönen bildern, anzahl seiten: 30) bestellen.
der erlös wird dem chanku luta fonds gutgeschrieben.
ich danke euch für eure zeit von herzen,
charly juchler
p.s.: als erinnerung möchte ich euch das konzert von sequoia crosswhite am 25. januar in der alten kaserne in winterthur noch einmal ans herz legen. ich freue mich.