Logo

Newsletter: 02/2020 Gedanken aus dem Monat der Stille


GEDANKEN  AUS  DEM  MONAT  DER  STILLE

liebe Chante etan freunde und interessierte 

es ist 3 uhr morgens hier in den black hills in meinem monat der stille , wo ich mich jeweils in meinem zuhause zurückziehe um zu reflektieren und um einfach zu sein. draussen peitscht einmal mehr wazia / der weisse riese aus dem norden durch die nacht , es pfeift und kracht , zerreisst die stille mit deren frieden. ein drehender sturm entspringt. aber nein , nicht draussen in der weite sondern drinnen in der enge meiner gedanken.

sie drehen sich wie ein wirbelwind und lassen meine emotionen sich in allen farben zerstreuen. in ein paar tagen bin ich wieder zurück in der schweiz. es warten drei intensive wochen auf mich , mit events und workshops in zusammenarbeit mit lakota freund Kevin Locke und Vance Blacksmith.

der erste event , das konzert mit Kevin und pianist Bernhard Ruchti , war schon lange eine vision von mir. „one vision – two ways / eine vision – zwei wege“ habe ich als titel ausgesucht. ich denke über diesen titel nach , eigentlich sollte er heissen „eine vision – tausend wege“.

die vision des lebens sollte die liebe sein. wir bestimmen unseren weg , welcher entspringt aus der vereinbarung vom schicksal und unseren entscheidungen die wir treffen.

ich meine dabei nicht „nur“ die liebe zwischen menschen , sondern die liebe zu allem was ist. vom kleeblatt zum mammutbaum , von der termite zur libelle , von der maus zum elefanten , von den steinen zu den sternen…

hermann hesse hat einst geschrieben „die liebe ist treulos , denn sie ist zu bezaubernd um sie festzuhalten“. ich denke über diese weisen worte nach und lausche dem wind.

wow , ich fühle mich als mensch so privilegiert treulos zu sein und in aller schönheit der schöpfung / natur liebe zu fühlen , zu riechen , zu hören und zu sehen. die gabe der kunst wie der poesie , der musik , des kochens , des malens , des heilens und einfach des freudigen schaffens ist ein ausdruck von liebe von uns menschen an das leben.

liebe macht aber auch blind wie wir alle wissen. wir erstarren auf der suche nach geborgenheit , sinn , verwirklichung und der angst vor dem all-ein sein.

liebe wird auch oft zu einem anspruch und besitz. wir missbrauchen sie um an unsere egoziele zu gelangen und allzu oft rutscht diese lebenskraft in die dunkelheit von hass und verbitterung.

in der alten lakota menschen-aus-der-natur-soziologie beinhaltete die liebe einer beziehung zwischen mann und frau , in freiheit zusammen zu sein. beide geschlechterrollen lebten ebenbürdig ihre eigenheit , welche durch die körperliche loyalität unterstrichen war , um dem leid der verletzungen und dem daraus folgenden chaos keinen raum zu geben. dieses konzept hatte nichts mit moral zu tun , sondern schlicht und einfach auf das fokussieren des über/lebens im kreativen sinne.

unloyale männer in einer festen beziehung mussten alle ihre verdienten adlerfedern verbrennen und ihre ehrenauszeichnungen abgeben und waren somit zurück katapultiert auf den stand eines jünglings. unloyalen frauen in derselben position wurde ein kleines stück der nasenspitze weggeschnitten.

in freiheit zusammen zu sein beinhaltete , sich jeden tag entscheiden zu können ob man seinen eigenen weg gehen soll und will , ohne jegliche sozialen konsequenzen und ächtungen. jeder mann und jede frau konnte ihren partner verlassen wenn diese bindung nicht mehr stimmte. mit dem protokoll dass die frauen alles erschaffene behielten , zumal ein mann , egal in welchem alter , immer im stande sein sollte eine neue existenz aufzubauen. kinder waren bis zu ihrem 12. lebensjahr stets in der obhut und weisheit der grosseltern , tanten und onkel.

in den letzten tagen habe ich mein ganzes haus auf den kopf gestellt und ausgemistet. das tat gut. ich fand so viele erinnerungen aus meiner bewegten jugend , einer für mich dunklen zeit in mittelamerika und den bewegten jahren als seemann und greenpeace aktivist. meine ewige liebe zum lakota land führte mich mitte / ende der 80er jahre in die pine ridge- und rosebud-reservate. das schicksal führte mich zu männern / mentoren , welche meinem leben und dessen richtung wege auftaten.

lakota medizinmänner , philosophen und weise berührten meine seele , Frank Fools Crow , Sydney Keefe , Elmer Running , Bearshield , um einige zu nennen. diese lakotas hatten alle ein sanftes herz und eine starke hand (wie die blitz- und donnerwesen) , mit welchen sie das alte wissen wie man mensch aus der natur ist , fähig waren umzusetzen. solche lakota menschen gibt es heute sozusagen keine mehr da die verbindung zur essenz der natur , mit dem damaligen gelebten wissen , nicht mehr existiert. es macht mich nachdenklich wie weit wir uns von dieser einst gelebten naturverbundenheit als menschheit entfernt haben. unsere modernen lebensformen rund um den planeten entseelen die tiere und pflanzen , damit wir ohne schlechtes gewissen dem profit freien lauf lassen können.

geld , wachstum über alles , mit dem x-faktor der überbevölkerung , dreht sich das rad der zerstörung immer schneller. wir leben heute in einer zeit des arten aussterbens , welches gemäss der wissenschaft seit millionen jahren nicht dagewesen ist. diese entwicklung ist ganz klar menschgemacht.

viele regierungshäuser dieser welt sind von monstern besetzt , welche die massen wie im alten rom mit brot, unterdrückung und spielen bei der stange hält. wo sind die weisen männer und frauen? sie werden zusammengeschlagen und weggesperrt , ermordet im schrumpfenden regenwald amazoniens und nach wie vor kolonialisert mit dem slogan: „rette den menschen , töte die weisheit“. diese kolonialisierung findet ja auch oft im eigenen sozialen umfeld statt. die eigene familie , ehepartner , arbeitsort , oder was die nachbarn wohl denken , beeinflussen unsere eigenständigkeit.

die wichtigste liebe in unserem leben ist die liebe zu sich selbst. das gibt uns die kraft treulos zu sein , sich selbst zu sein. mit respekt und würde sich selbst und allem was ein lied in sich trägt zu begegnen.

als amerikaner muss und will ich mich kümmern was in diesem land passiert. millionen von menschen vergöttern und huldigen einen boshaften clown-präsidenten , welcher an der spitze steht von einer maschinerie der zerstörung mit weltweiten konsequenzen. als schweizer bin ich bestürzt dass es gesetze geben muss um homosexuelle menschen zu schützen , welche nichts zu befürchten haben sollten. was sagt das über eine gesellschaft aus , welche während dessen , im namen des wachstums , ihr eigenes land zubetoniert?

als lakota habe ich vor einigen wochen leute getroffen , welche sich hochspirituell fühlen und schwitzhütten mit menstruierenden frauen durchführen , damit sie den männern darin zu mehr weiblicher energie verhelfen können. das tipi daneben habe man in 3 tagen aufgebaut , denn für jede tipistange habe man eine eigene zeremonie gemacht. ich musste inne halten und sah die gesichter von Frank Fools Crow , Bearshield , was sie wohl denken würden und empfand trauer. die menschheit war schon immer in aufruhr , aber die welt ist klein und eng geworden und die verrückten und bekloppten zu viele.

nichts desto trotz: „la vita e bella / das leben ist schön“ und jedes kind welches in die liebe geboren wird ist ein riesen geschenk von und an das leben. die verantwortung aber bleibt , denn man darf nicht wegsehen und stumm bleiben. jeder von uns trägt dieses geschenk in sich als musiker , schreiner , mediziner , abenteurer , verkäufer… diese fähigkeiten uns selbst zu sein ist nur eine entscheidung entfernt.

ich kann es kaum fassen , dass ich mittlerweile bereits 110 Chante wakan reisen durchgeführt habe und jede war einzigartig , wird mir gerade bewusst. es berührt mich und auf eine weise empfinde ich auch stolz , dass die reisen bereits seit 20 jahren immer ausgebucht sind , was mir aufzeigt , dass ich trotz meines komplexen charakters etwas richtig mache ;-)

oohh übrigens, dieses jahr vielleicht das erste mal nicht ausgebucht , zumal ein platz auf der peru reise „lebensfarben“ immer noch offen ist ;-)

ich streife mit meinen gefühlen durch diese vergangenen jahrzehnte und mache mir noch einmal gedanken über meine eigenen fehler und enttäuschungen gegenüber menschen welche mich liebten und lieben. ich habe mir viele federn in meinem leben verdient und wurde sogar von diesen beschriebenen alten lakota männern geehrt für das was ich bin und kann. das macht mich nicht mehr und nicht weniger. der lebensweg beinhaltet viele herausforderungen und lernprozesse und es ist schade musste ich einige dieser hart verdienten federn wieder verbrennen. die liebe ist treulos , aber nur dort wo sie keine schmerzen und leid verursacht.

danke für eure zeit.

good night and good luck,                  charly juchler  /  kinya luta

When thunder calls by  KEVIN LOCKE

Iron Cloud (links) / Charly Red Cloud (mitte) / Frank Fools Crow (rechts) / Edgar Red Cloud (im Hintergrund) 

Top