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Newsletter: 09/2011 Wolakota


liebe chante eta'n freunde und interessierte,

wie angekuendigt, moechte ich gerne einige gedanken und neuigkeiten zu meinen chante wakan reisen 2012 und meiner / unserer arbeit dazu, mit euch teilen.

es ist meine erfahrung und ueberzeugung, dass unser eigenes leben stetige entwicklungen, beobachtungen und entscheidungen mit sich bringen sollte, welche das ziel beinhalten, in weisheit zu sein.

als ich vor 18 jahren mit meiner arbeit von chante eta'n begonnen habe, war ich zutiefst inspiriert von der essenz der black hills und all dem weiten land, welches dieses herz umgibt, sowie der lakota kultur und alles was sie beinhaltet.

letzteres ist eine immerwaehrende herausforderung, zumal sich kultur definieren laesst in geschichte, gegenwart und den perspektiven der zukunft.

ich habe mir in den vergangenen jahren ganz spezifische gedanken gemacht, was ich eigentlich (nebst meinem lebensunterhalt) neu erreichen will mit meiner arbeit und wie sich diese mit meinem idealismus der fruehen 90er jahre differenziert.

mit allen diskussionen, erlebnissen, ritualen und zeremonien, welche ich seit meinem ersten besuch und kontakt mit lakota menschen seit 1987 erleben durfte, hat mich eine aussage einer lakota medizinperson am meisten zu meiner arbeit hin betroffen gemacht.
er sagte 2010: "in den 1970er jahren gab es im rosebud reservat noch rund 40 lakota heiler, welche die yuwipi zeremonie (komplexe heilzeremonie, gut beschrieben im buch von thomas e. mails "fools crow" ISBN 1-57178-104-8) durchfuehrten und diese lebensart in bescheidenheit mit dem alltag vereinten. heute, im 2010, gibt es noch ganze 5 solche Personen im rosebud. wir sterben aus."

die aussage dieses mannes, den ich 1987 bei frank fools crow‘s haus in kyle kennengelernt habe, hat mich, wie beschrieben, sehr nachdenklich gemacht und in mir ein gefuehl bestaetigt, welches sich in den vergangenen jahren in mir gebildet hatte.
ironischerweise zu der yuwipi aussage, entstanden seit den 70er jahren aus einer handvoll sonnentanz-zeremonien ("sun dancing", thomas e. mails ISBN 1-57178-062-9) eine wahre sonnentanz-bewegung mit rund 80 verschiedenen sonnentaenzen alleine im pine ridge und rosebud reservat, mit ablegern in ganz usa bis hin nach deutschland und frankreich. ich habe nicht das recht, meine meinung zu veroeffentlichen oder gar darueber zu urteilen, aber es scheint mir wichtig zu erwaehnen, dass einst eine einzige sonnentanz-zeremonie, ein ritual welches unter anderem die einheit der nation versinnbildlicht hat, unter allen lakota oder teton staemmen beim mato tipila oder dem heute bekannten devils tower in wyoming stattgefunden hat.
crazy horse‘s vision, in welcher er gesehen hat, dass verschiedene menschenfarben am baum getanzt haben (sonnentanz), versinnbildlicht einen neuen anfang und eine chance, jahrtausende altes wissen zu ueberliefern und zu leben.

"wir sterben aus?!", widerspricht doch nun crazy horse‘s vision vom ueberleben und der einheit der menschen.

in vielen gespraechen und beobachtungen kristallisieren sich die gruende des aussterbens hervor. in erster linie ist es das menschliche ego, die inkonsequenz nicht mehr zu nehmen als zu geben. in einem satz gesagt, alle wollen an der sonne tanzen, aber niemand will die plumpsklos bauen. diese mentalitaet ist mittlerweile tief verankert in der lakotakultur und dient als eine metapher fuer unseren westlichen lebensstil, wo wir alle zusammen auf der bequemen couch liegen.

auf dieser couch fliessen die farben, erkenntnisse und entscheidungen des lebens an uns vorbei und es gibt keine traeume mehr, welche uns in dieses geheimnis einweihen. niemand kann fuer uns tun, was wir selber machen muessen und dort liegt die grosse herausforderung.

viele menschen suchen inspiration und hoffnung beim naturgegebenen lebenswissen von indigenen voelkern, wie z.b. der lakotas, welche seit 11.000 jahren in den black hills ihre lieder sangen und singen.

die gewaltvolle kolonialisierung der dakota-nationen, durch die ausgewanderten europaer in der zeitperiode von 1853 bis 1978 (amerikanischer verfassungsschutz indigener kulturen) hat den groessten teil dieses uralten wissens, geschweige die lebensart als bison-gesellschaft, zerstoert.
wie bei allen kolonialisierten voelkern dieser erde sind die folgen: sozialer zerfall, drogen- und alkoholmissbrauch, kriminalitaet und lethargie. ein zustand, der heute in allen 9 lakota reservaten gegenwart ist und einen gewaltigen druck auf die rund noch 10% verbleibenden lakotas ausuebt, welche die lieder singen fuer ihr volk und alle voelker der erde (das beinhaltet wamakaskhan, bzw. alles was lebt, pflanzen, tiere, steine, sterne....)
lakota-sein ist ein vertrag, den man mit 405 essenzen der schoepfung "cangleska wakan", dem heiligen kreis der black hills, getroffen hat, um gut zu leben. gut zu leben mit dem sinnbild der vertragsdecke "sina okpate" ist schwierig, denn es beinhaltet mehr zu geben als zu nehmen.

der begriff lakota wird heutzutage gebraucht als eine volkszugehoerigkeit, die zu einem betraechtlichen teil aus hilfsbeduerftigen, armen, asozialen und diskriminierten menschen besteht, welche seit 100 jahren von der wohlfahrt leben und denen scheinbar mit amerikanisch-europaeischen polit-, gesundheits- und schulmodellen geholfen werden muss. mit groesstem respekt beobachte ich, wie junge lakotas, den begriff lakota-sein / sina okpate, anfangen umzusetzen, indem sie sich auch traditionell weiterbilden und ihre jahrtausende alte philosophie und spiritualitaet neu erlernen. mit diesem werkzeug ermoeglichen sie sich fuer sich selbst und ihren familien, in der heutigen modernen zeit von 2011 als selbststaendige, erfolgreiche lakotas und amerikaner zu leben. dies sind die menschen, mit denen ich mir das privileg nehme, zusammen zu arbeiten und die mich umso mehr noch meiner verantwortung als brueckenbauer bewusst machen.

ich moechte mit diesem newsletter nicht die problematik der realitaet von alkoholismus, arbeitslosigkeit etc. in den reservaten herunterspielen, sondern aufzeigen, dass dies nichts mit lakota-sein zu tun hat. diese menschen brauchen hilfe (sofern sie sich helfen lassen wollen), so aber auch die 12 millionen hungernden in ostafrika, wie auch viele andere benachteiligte menschen auf unserer erde.

das spirituelle zentrum der praerieindianischen kultur liegt im cangleska wakan / black hills, welche 1877 durch die damalige US-regierung unter mithilfe von korrupten lakota-fuehrern enteignet wurde. dieses thema ist nach wie vor ein politikum.

91% allen landes in den black hills ist sogenannter "national forest" bzw. US-bundesland und fuer ALLE menschen frei zugaenglich zum beten, wandern, jagen, fischen, campen ... einfach zum sein.
niemand kann den spirit des cangleska wakan enteignen, auch nicht die USA. ich wuenschte die sieben heiligen plaetze in den black hills waeren unter dem mandat von traditionellen dakotas, um diese besser zu schuetzen und zu ehren. nichts desto trotz, ich glaube daran und bin voller hoffnung, dass der tag kommen wird, wo die lakotas, welche lakota sind, einen teil dieser millionen von hektaren des orakels "he sapa" (black hills) zurueck in ihre verantwortung nehmen koennen.
mir wurde gesagt: belassen wir die tragoedie und metapher von wounded knee in der vergangenheit und fangen endlich, nach 120 jahren, einen neuen weg an, in verbundenheit zur vision von crazy horse.
wolakota - frieden mit allem

wie in meinem letzten newsletter vom gaestehaus, freue ich mich als ein kleines raedchen vom ganzen, eine kleine "lakota-sein"-insel hier in den oestlichen black hills zu verantworten. im westen der black hills weiss ich von einer insel, welche im schatten von "mato tipila" liegt. mato-tipila!, bald wirst du wieder besungen und betanzt werden.

es ist still, der raum voller licht, welches man nicht sieht. vor dem altar, in dem der heiler liegt, stehen 2 patienten. eine junge frau aus der schweiz, sie hat krebs, an ihrer hand ein 10-jaehriges lakota-maedchen welches von ihrem vater sexuell missbraucht wurde, ihre seele voller schmerz. der yuwipi mann sagt "es kommt gut, alles kommt gut." die lieder beginnen, das macht mich gluecklich.

wolakota

danke fuer eure zeit, charly juchler

zum gedenken an den 10. todestag meines freundes Hamid van Lohuizen. wir verbrachten 14 monate zusammen auf dem greenpeace schiff "MS Solo", gift- und nuklearmuellkampagne 1992-93 in weissrussland und im arktischen meer. hamid starb auf mysterioese art und weise auf hoher see, waehrend einer giftmuellkampagne die er auf privater basis verfolgte.
lakota-sein kennt keine grenzen.

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