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Newsletter: 02/2016 Gedanken aus dem Monat der Stille


liebe chante etan freunde und interessierte

 

einmal mehr ist der monat der stille , den man Cannapopa wi (die brechenden baeume) nennt.

ich sitze neben dem waermenden holzofen hier in den black hills. es ist abend , draussen herrscht eisige kaelte und ein dicker nebel , welcher die nacht mit einer schwere und melancholie durchzieht.

 

vielleicht ist es auch nur eine reflexion meines eigenen seins in diesen tagen... meine gedanken fluestern ; ich denke zurueck an die beiden konzerte mit Jim Boyd , welche ich und mein langjaehriger freund Claude Jaermann organisiert und durchgefuehrt haben.

wir standen beide zusammen hinter dem vorhang und haben uns alles angeschaut , die vielen menschen die da sassen , die musik , die farben , die geschichte dahinter , die ehrungen und vieles mehr. der indianische spirit durch Jim Boyd , uns selbst und allen die es moeglich machten , war einmal mehr von hohem masse voller kraft und wuerde , und doch nicht vollkommen.

 

am naechsten tag sass ich im flugzeug auf dem weg zurueck ins land der bueffel , wie ich die dakotas nenne. schneestuerme waren angesagt , aber ich hatte glueck und schaffte es bis nach denver colorado , danach wurden alle anderen Fluege gecancelt.

das hotel in denver war steril und kalt , ich lag da und dachte mir , ich werde es eventuell nicht schaffen.

in 2 tagen sollte ich die US-staatsbuergerschaftspruefung im 700 meilen entfernten sioux falls ablegen , damit ich amerikanischer staatsbuerger werden kann , was mir wichtig ist.

21 jahre Chante etan habe ich gedacht. all die traeume , hoffnungen , reisen und ausstellungen , workshops und konzerte mit indianischen kuenstlern….

hunderte von menschen , welche ich begleiten durfte , viele welche sich auf reisen und anlaessen getroffen , verliebt und auch familien gegruendet haben. was fuer ein privileg , dass ich in all dem eine rolle spielen durfte und natürlich , da waren auch die leute auf dem indianertrip , welche dann ihre bunten wege weitergingen.

menschen kommen , menschen gehen halt , alles ist moeglich und alles ist gut , solange in frieden.

 

ein frieden ueberkommt mich selbst , es waermt mein herz zu wissen wohin man gehoert mit seiner seele. ich halte inne , bin ich doch auch stets auf der suche die farben des regenbogens zu beruehren , waehrend ich weiss , dass sie unfassbar sind.

 

vor vielen jahren an einem sonnentanz im pine ridge reservat kam eine stolze , wunderschoene , alte Lakota frau auf mich zu , nachdem ich beobachtet hatte , dass sie mich lange gemustert hatte. sie schenkte mir einen stein mit den worten "manchmal ist die liebe nicht genug wenn man sucht , aber die liebe ist alles was von uns bleiben wird". sie gab mir die hand und ging. ich fuehlte was sie meinte , die liebe zum leben , zum partner , zur familie , zu echten freunden und wohl am wichtigsten , zu sich selbst.

 

ich bin still , meine tiefste liebe , meine ganze energie der vergangenen 20 jahre gehoerte diesem land hier , dem Lakota-spirit , meiner arbeit und dem bestreben etwas aus meinem namen zu machen , um nebst meiner eigenen existenz , ein wenig die schmerzen des lebens in meinem kleinen sein mit freude, farbe und glueck zu erfuellen.

20 jahre amerika auf diese art und weise war eine grosse herausforderung und lange zeit. das system , die abhaengigkeit und willkuer der behoerden , unschuldig angeklagt und im gefaengnis fuer kurze zeit , immigration verhoere und schikanen aus niederen gruenden von weissen und lakotas zugleich , haben ihre narben an und in mir hinterlassen. nein, kein bananenstaat... dies ist amerika , die sogenannte erste welt. manchmal muss ich schmunzeln wenn ich an die leute denke , welchen ich so oft begegnet bin.... „ooh ich glaube ich wandere auch nach amerika aus , das wuerde mir auch gefallen , ich glaub das koennte ich so und so machen , kein problem , dies und das......“

 

und doch , meine US-greencard habe ich anno dazumal erhalten , weil ich dem immigration-erlass entsprach "in the national interest", und dies noch unter der administration von Georg W. Bush abgesegnet. 200 gab es von diesen greencards auf der ganzen welt fuer das entsprechende jahr und ich war einer davon , wow , die indianer im nationalen interesse , ich muss ehrlich sagen , ich war und bin stolz auf Chante etan und ja ich liebe es , dieses verrueckte land amerika.

 

aber was bin ich ohne die menschen wie ihr selbst.... und in meinem herzen....

ein alter Lakota frauenname wurde ihr in einer einfachen zeremonie überreicht. "sonnentanz - blatt hinter dem ohr" heisst sie. sie hat mir die kraft und moeglichkeit geschenkt , meine eben diese spezielle greencard zu bekommen. was bin ich ohne die liebe , waehrend diese in meinem leben , an und durch mich , wie die brandung am fels oft zerbricht.

ich kam rechtzeitig nach sioux falls , schneestuerme , eis und unendlich lange strassen. das mietauto zerschlagen von eiskloetzen , welche von lastern fielen und ich stand da , wie ein banker-clown gestylt , vor dem immigration officer.

er musterte mich und sagte als erstes , dieser riesige berg akten bedeuten in der regel nichts gutes und nur probleme. ich erklaerte ihm , ich habe eine lange geschichte hier im land der unbegrenzten moeglichkeiten. er schaute meinen CH-pass an und sagte , dass dieser bald nichts mehr zu bedeuten hat. ich schilderte meine arbeit , zu exotisch fuer ihn , aber ich reise zuviel , hat er gesagt und angedeutet , dass sei nicht sehr patriotisch. danach machte er mit mir die pruefung aus 100 fragen , welche wohl die meisten amerikaner selber nicht beantworten koennten.

ich bestand mit bravour und dem gesetz entsprechend , gratulierte er mir mit dem hinweis , dass ich am 11. maerz zur US-verfassung eingeschworen werde und dann bin ich amerikaner. dies gesagt teilte er mir mit , ich soll das land nicht mehr verlassen , das koennte ernsthafte konsequenzen haben , nicht weil ich zu wenig zeit in USA verbracht habe in den vergangenen jahren , sondern weil er das so will.

 

ich fuhr zurueck gegen westen durch das weite , einsame indianer-land wo einst die bueffel wie ein brauner teppich dem lied des lebens eine stimme schenkten. wo einst die menschen mit ihrem lied der schoepfung huldigten , bis die kolonialisten und europaeischen fluechtlinge kamen und sie fast alle ausrotteten , der rest ist geschichte....

als ich da durch das land fuhr , dachte ich an meine Chante etan workshops und gruppentreffs ende februar / anfangs maerz. meine verantwortung dafuer und dem bewusstsein , das ist was ich kann und wirklich gut mache.

sich selbst zu sein , am 23. februar werde ich in meine geliebte alte heimat fliegen , nicht als amerikaner , aber als Lakota und wenn es so sein soll halte ich am 11. maerz in sioux falls meine hand ans herz.

 

7 jahre noch werde ich meine arbeit mit Chante etan aufrecht erhalten , wenn ich darf und dann ist gut so. ich freue mich und bin geehrt.

 

manchmal ist liebe nicht genug , aber sie ist alles...... das ist meine hoffnung und mein ziel.

 

danke fuer eure zeit , good night and good luck, Charly Juchler / wo-lakota-to-cho

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